Praktikum trotz Pandemie?
Ein Praktikum zu Corona-Zeiten? Gar nicht so einfach. An allgemeinbildenden Schulen sind Schüler-Praktika schlichtweg untersagt. An Berufsschulen dürfen sie gemacht werden, doch nicht alle Betriebe wollen in Krisen-Zeiten zusätzliche Menschen im Betrieb. Und dann gibt es wieder Betriebe, die gerne Praktikanten aufnehmen würden – aber keine finden. Ein Überblick. „Mit dem Praktikum geht den Schülern ein wichtiger Baustein verloren“, sagt Torsten Rudolf, Schuleiter der IGS Rinteln. Ein Schülerpraktikum sei eine gute Möglichkeit herauszufinden, ob der gewählte Beruf etwas für einen sei – oder auch nicht, beschreibt er. Zudem hätten sich in der Vergangenheit auch immer wieder Ausbildungsverträge aus einem Praktikum entwickelt. Das kann Patrick Wieggrebe, Geschäftsführer der Wieggrebe GmbH, bestätigen. Er würde auch in Corona-Zeiten Praktikanten aufnehmen, um ihnen einen Einblick in die Tätigkeitsfelder Heizung, Sanitär und Klempnerei zu ermöglichen. Im vergangenen Jahr habe es aber kaum Anfragen gegeben. Wieggrebe bedauert das, denn der Fachkräftemangel sei auch in seiner Branche zu spüren. „Der Nachwuchs ist das größte Problem im Handwerk“, sagt er. In der Regel stelle sein Unternehmen einen Azubi pro Jahr ein. Geeignete Kandidaten zu finden, sei aber nicht einfach. „Die Bewerber müssen schon Voraussetzungen mitbringen, mit denen sie auch die Berufsschule schaffen können“, sagt er. Das betont auch Jens Selzer, Inhaber von „S & H Bedachungen“. Er hat derzeit einen Praktikanten in seinem Betrieb. Leicht gemacht habe er sich die Entscheidung, das Praktikum trotz Corona-Krise anzubieten, aber nicht. Denn natürlich bedeute eine betriebsfremde Person auch ein gewisses Risiko. Dieses versucht er, durch Tests zu minimieren, die auch der Praktikant machen muss. „Irgendwie muss es ja weitergehen. Wir müssen ja etwas gegen den Fachkräftemangel tun“, sagt er. Auch ohne Corona-Krise habe es in seinem Betrieb in den vergangenen Jahren nur wenig Nachfrage nach einem Praktikum gegeben – von Schülern der IGS und des Ernestinums überhaupt nicht. „In der letzten Generation hat das Interesse am Handwerk deutlich abgenommen“, hat er beobachtet. Ob er in diesem Sommer wieder einen Azubi einstellt? „Wenn sich ein richtig guter Bewerber meldet, könnte das passieren.“ Für das kommende Ausbildungsjahr habe ihn aber noch keine einzige Bewerbung erreicht. Das Autohaus Buddensiek habe einige Anfragen bezüglich eines Praktikums erreicht, sagt Regina Buddensiek. Aufgrund der Corona-Situation biete man derzeit aber keine Praktika in der Kfz-Werkstatt an. „Um das Risiko für alle Beteiligten gering zu halten“, begründet sie. In einer Kfz-Werkstatt gebe es einfach nicht so viel Platz wie in anderen Bereichen. Die Schüler, die angefragt haben, hätten diese Entscheidung gefasst aufgenommen. Auch die Firma Eckel Elektrotechnik bietet zurzeit keine Praktika an, was aber nicht unbedingt etwas mit der Corona-Krise zu tun habe, heißt es. Man nutze Praktika vor allem dazu, neue Auszubildende zu finden, erläutert Geschäftsführerin Sabine Sasse. Die Stellen für den kommenden Sommer habe man aber bereits besetzen können. „Unser Problem ist es, die guten Leute nach der Ausbildung zu halten“, sagt sie. Diese würden oft von der Industrie abgeworben, unter anderem mit der Aussicht auf besseren Verdienst. Ein Wettstreit, den das Handwerk nicht gewinnen könne. „Wenn wir das zahlen würden, was die Industrie zahlt, könnte man Handwerker nicht mehr bezahlen.“ Auch wenn einige Betriebe angesichts der Corona-Krise etwas zurückhaltender Praktikumsstellen anbieten, habe es an den Berufsbildenden Schulen (BBS) Rinteln nach Auskunft von Schulleiterin Lita Gooßen weder im Friseur- noch im Holzbereich Probleme gegeben, Schüler in ein Praktikum zu vermitteln. Die Wichtigkeit von Praktika hebt ihr Kollege Fabian Stegmann noch einmal heraus. Er ist an den BBS Abteilungsleiter der Berufseinstiegsschule, in der Schüler, die zuvor keinen Abschluss oder nur einen schlechten Hauptschulabschluss geschafft haben, gezielt auf den Berufseinstieg vorbereitet werden. 2020 hätten im Metallbereich alle dieser Schüler einen Ausbildungsvertrag bekommen. „Das funktioniert nur durch Praktika“, sagt er.
aus: Schaumburger Zeitung vom 05.05.2021